Peter Thomas
Die Gemeindeordnung für die Rheinprovinz trat am 23. Juli 1845 in Kraft. In ihr wurde unter anderem geregelt, dass die Gemeindevorsteher für sechs Jahre und die hauptamtlichen Bürgermeister auf Lebenszeit durch übergeordnete staatliche Stellen ernannt wurden. Zuständig für die Bürgermeisterei Till war hierzu der Oberpräsident der Rheinprovinz in Koblenz.
Mit der Veröffentlichung im Amtsblatt Nr. 40 der Königlichen Regierung zu Düsseldorf wurde bekanntgegeben, dass ein neuer Bürgermeister mit der einstweiligen Verwaltung der Landgemeinde beauftragt worden sei. Es handelte sich hierbei um den Gerichtsreferendar a.D. Paul Oedenkoven aus Düsseldorf.
Entsprechend informierte Landrat Eich als Vorsitzender des Kreisausschusses in einem Schreiben vom 6.10.1905 das Bürgermeisteramt Till und forderte den Beigeordneten Imig zu Louisendorf auf, die Verwaltung an den neuen Bürgermeister zu übergeben. Die Einführung, so wurde bestimmt , sollte am 10. Oktober 1905 um 10.30 Uhr im Bürgermeisteramt zu Hau stattfinden.
Das Protokoll liegt noch vor und ist in Kurrentschrift, im 19. und frühen 20. Jahrhundert die gebräuchliche Verkehrsschrift in Deutschland, niedergeschrieben.
Bereits im nachfolgenden Kalenderjahr war die Bewährungszeit für den kommissarischen Bürgermeister abgelaufen, denn im Amtsblatt Nr. 18 der Königlichen Regierung war zu lesen dass der Oberpräsident am 18.4.1906 die Ernennung Oedenkovens zum Bürgermeister auf Lebenszeit bestätigte. Als Vorsitzender des Kreisausschusses teilte Landrat Eich dem Bürgermeister Oedenkoven die definitive Ernennung mit.
Da die Bürgermeisterei Till dem neuen Bürgermeister keine angemessene Dienstwohnung anbieten konnte, zog dieser erst einmal nach Kalkar. Der Umzug von Kalkar nach Hasselt erfolge im Jahre 1907. Die ihm dadurch entstanden Umzugskosten in Höhe von 75 Mark stellte er der Bürgermeisterei in Rechnung.
Was wissen wir über ihn? Relativ wenig. Bekannt ist nur, dass er am 16. Juli 1874 in Viersen-Dülken in eine Juristenfamilie hineingeboren wurde. Ostern 1896 legte er seine Reifeprüfung (Abitur) am Königlichen Gymnasium zu Clausthal ab. Seinem Berufswunsch entsprechend begann er eine juristische Ausbildung und studierte Rechtswissenschaft.
Gemäß eines amtlichen Auszugs aus dem Heiratsregisters vom 27.3.1934 (ausgestellt als Nachweis der arischen Abstammung) heiratete er am 25.11.1905 zu Rheinbach die am 6.3.1880 geborene Anna Katharina Hubertina Gerhartz. In den Jahren 1906 bis 1919 wurden fünf Kinder geboren (drei Mädchen, zwei Jungen). In der Fotosammlung des Gemeindearchivs findet sich ein Bild, auf dem Bürgermeister Oedenkoven mit drei seiner Kinder beim Osterspaziergang vor der Eselsmühle in Schneppenbaum abgebildet ist.
Von seinen beruflichen Stationen vor Übernahme des Bürgermeisteramtes kennen wir nur das Gerichtsreferendariat, das er bei der Ernennung bereits erfolgreich absolviert hatte, da sein Beamtenstatus als „a.D.“ bezeichnet wird.
Für seine Berufswahl dürfte der familiärer Hintergrund ausschlaggebend gewesen sein, denn immerhin war sein Großvater Gerichtskammerpräsident in Köln, sein Vater Amtsgerichtsrat in Düsseldorf und sein Bruder hatte ebenfalls die juristische Laufbahn eingeschlagen.
Schon früh war die Familie Oedenkoven von ihrer Wichtigkeit überzeugt, denn bereits vor 1900 ließ sie stolz ein Wappen kreieren, dass in die Sammlung Siebmacher bei den „Bürgerlichen Geschlechtern“ (Bd. 10, Teil 2, Abt. 6, S. 52, Taf. 54) aufgenommen wurde.
Der Bildermaler K. Link verfertigte für eine Berliner Familie Oede(n)koven aufgrund dieser Vorlage 1906 ein farbiges Wappenbild. Ob die Familien irgendwie weitläufig miteinander verwandt sind, steht zweifelsfrei nicht fest, jedoch finden sich auf der Wappendarstellung von Link genau die gleichen Angaben wie in der Sammlung Siebmacher – nur in farbiger Ausführung, während der „Siebmacher“ für die Kennzeichnung der Farben das heraldische Schraffursystem verwendet. Der Familienname wird mit „Oedekoven“ angegeben; das Wappen gehört aber aufgrund der Angaben zur Familie sicher zu unserer Juristenfamilie.
Bürgermeister Oedenkoven ist, da er über 28 Jahre lang die Geschicke der Gemeinde mehr oder weniger stark beeinflusst hat, in den Altakten der Gemeinde Bedburg-Hau allgegenwärtig. Obwohl in der Bürgermeisterei Verwaltungsgehilfen und Bürgermeisterei-Sekretäre angestellt waren, stammen fast alle Konzepte aus seiner Feder. Anscheinend haben seine Mitarbeiter überwiegend nur die anfallenden Schreibarbeiten der Korrespondenz übernommen. Da er zusätzlich zu den vielen Anhörungen und Außenterminen auch noch die Gemeinderatssitzungen für drei Gemeinden (Till-Moyland, Schneppenbaum, Louisendorf) wahrgenommen hat (Vorbereitung, Leitung der Sitzungen als Vorsitzender mit Protokollaufgaben, Nachbearbeitung) dürfte für ihn der heutige Ausdruck „workerholic“ passend gewesen sein.
Als hauptberuflicher Bürgermeister war er nicht nur Ansprechpartner der „Amtseingesessenen“ in allen Belangen der Verwaltung (inkl. örtlicher Polizeiverwaltung) sondern auch der Vorgesetzte der Verwaltungsbeamten.
Sie werden in den zukünftigen Berichten einen facettenreichen Menschen kennenlernen. Als Bürgermeister stand immer im Spannungsfeld zwischen seinen „Amtseingesessenen“ mit ihren Wünschen und Vorstellungen, der schlechten finanziellen Ausstattung seiner Gemeinden und seiner vorgesetzten Behörde – dem Kreis Kleve mit dem Landrat, der ihm keinen Spielraum für eigene Ideen, Projekte, Gestaltungen etc. ließ.
Allen sollte er genügen. Es ist ihm nicht immer gelungen. Manchmal werden Sie ihn wegen seiner Taten mögen, aber auch sehr oft an seinen an den Tag gelegten Charaktereigenschaften Anstoß nehmen. Ich habe mir bis heute – nach mehreren hundert transkribierten Schreiben – immer noch kein abschließendes Bild von diesem Manne machen können.
Am 8. September 1933 wurde er von der Amtsvertretung Till auf eigenen Wunsch aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes in den Ruhestand versetzt. Paul Oedenkoven ist am 31. März 1938 im Alter von nur 63 Jahren in Bad Godesberg verstorben. Ein Totenzettel blickt auf sein Leben zurück.
Die letzten Spuren der Familie Oedenkoven habe ich mit der Anzeige bezüglich des Todes seiner Ehefrau vom 6. Juli 1951 verloren.
Sollten Sie noch über Informationen (Schreiben, Lichtbilder, Verfügungen etc.) unseres ehemaligen Bürgermeister verfügen, so würde sich der Geschichtsverein Bedburg-Hau sehr freuen, wenn Sie ihm diese zur Auswertung überlassen würden.
Quelle
Gemeindearchiv Bedburg-Hau, Versorgungsakte Paul Oede[n]koven
Bildnachweis
Alle Abbildungen, soweit nicht anders angegeben: Gemeindearchiv Bedburg-Hau
Familienwappen Oedenkoven - K. Link, 1906 (vgl. Oedenkoven.com - Familienwappen)