Schenkenschanz

Mit Melkerin Änneke über die Schanz

Freitag, 26. Juni 2015, 14.15 Uhr, Parkplatz Schenkenschanz. Wir, das ist eine Gruppe von zwanzig Personen, die der Einladung des Ge- schichtsvereins Bedburg-Hau zur Besichtigung der „letzten Hallig vor Hooge“ (Hanns Dieter Hüsch) gefolgt sind, sind soeben hier einge- troffen. Empfangen werden wir von der „Mel- kerin“ Änneke van de Schanz (Hildegard Liebe- ton), die uns durch Schenkenschanz führen wird. Änneke ist mittelgroß, aber sie ist, wie sich später herausstellen wird, eine echte Granate! Breitbeinig steht sie vor uns, heftig mit den Armen gestikulierend. Ihr rotblondes Haar hat sie zu Zöpfen von etwa vierzig Zentimetern Länge gepflochten. Vor Sonne und Wind schützt sie ihren Schädel mit einem hellblauen Kopftuch. Sie trägt eine helle ärmellose Bluse, eine dunkelgraue Arbeitsschürze, Wollsocken und Klumpen (Holz- schuhe).

„Ein Mann – ein Wort, eine Frau – ein Wörterbuch!“ An diese Redewendung muss ich denken, als Änneke über Martin Schenk von Nideggen spricht. Die Wörter sprudeln nur so aus ihr heraus. Martin Schenk ist jener verwegene Söldner, der sich mal bei den Holländern, mal bei den Spaniern, zuletzt wieder bei den Holländern – jeweils verbunden mit einer Solderhöhung – verdingt, um Schenken- schanz zu erobern. Letztlich obsiegen die Holländer.

In den Jahren 1586/87 errichtet Martin Schenk auf der „Insel“ eine Schanze (Festung). So kommt es zu der Namensbildung Schenken- schanz. Noch einmal tritt Martin Schenk in Erscheinung. Diesmal. im Dienst der General- staaten stehend, versucht er, mit seinem Heer die Stadt Nijmegen zu erstürmen. Schenk und seine Leute werden aber in die Flucht geschlagen. Bei dem Versuch, sich auf einem in der Waal liegenden Schiff in Sicherheit zu bringen, gerät er ins Schlingern und stürzt ins Wasser. Sein Harnisch hindert ihn daran, zu schwimmen und er ertrinkt. Die Holländer schlagen ihm den Kopf ab und spießen ihn auf einer Lanzenspitze auf. Seine Arm- und Fußgelenke umwickeln sie mit starken Tauen. Die Taue befestigen sie an vier Pferden, die sie in alle Himmelsrichtungen treiben. Schenks Körper wird so gevierteilt. Die sterblichen Überreste werden zunächst notdürftig vergraben. 1591 erhält Martin Schenk auf Betreiben seiner Frau doch noch ein christliches Begräbnis in der Stevenskerk in Nijmegen.
Nach einer kurzen Wegstrecke erklärt uns Änneke die Werkzeuge, die sie auf einem Karren hinter sich herzieht. Es handelt sich um „Milchtöten“ unterschiedlicher Größen, einen manuell bedienbaren Milchkühler und einen hölzernen Butterstampfer. Der von der Milch abgeschöpfte Rahm wurde damit so lang bearbeitet, bis er sich in Butter verwandelte. Jahrhunderte lang stellten die Bauern auf diese Weise die Butter für ihren Eigenbedarf her. Das änderte sich, als 1920 die Margarinewerke van den Bergh in Kleve ansässig wurden. Die Bauern lieferten nun ihre Milch dorthin, wo sie zu Butter oder Margarine verarbeitet wurde. Da die Margarine aus Rahm hergestellt wurde, erhielt sie den Namen „Rahma“. Erst ab 1929 wurde die Margarine aus reinem Pflanzenfett hergestellt. Seitdem heißt die Margarine „Rama“. Unser Weg führt uns nun zur protestantischen Kirche. 1589 war auf der Schanz zunächst eine kleine Kirche errichtet worden. Fünf Jahre später wurde eine größere Kirche dazu gebaut. Diese Kirche war der Ursprung für die heutige evangelische Kirche in Schenkenschanz. 1595 wurde durch die spanische Besatzung der obere Teil des Kirchturms beseitigt, um größere Brandschäden zu verhindern, die durch holländischen Beschuss hätten entstehen können. 1824 wurde die Kirche in die „Union der rheinischen reformierten und lutheranischen Gemeinden“ auf- genommen. Heute wird in vierzehntägigem Wechsel Sonntagsgottesdienst in den evangelischen Kirchen Schenkenschanz und Keeken zelebriert. Erwähnenswert ist noch, dass an der Südseite der Kirche das wohl älteste Relikt aus der Festungszeit von Schenkenschanz zu sehen ist. Dabei handelt es sich um einen Grabstein der Katharina Nawinck aus dem

Über einen Wall, der Schenkenschanz vor Hoch- wässern des Rheins und der Waal schützt, umrunden wir die Insel. Die Straße, die wir begehen, heißt Wallstraße. Weil sich an dieser Straße einige Häuser offensichtlich begüterter Bürger befinden, wird diese Straße von den Einheimischen auch gern „Wall Street“ genannt. Zum Schluss macht uns Änneke darauf aufmerksam, dass auf der Schanz viele Häuser leer stehen und zum Kauf angeboten werden. Es gibt kaum noch Kinder. Als es noch Kinder gab, gab es auch eine evangelische Volksschule. Evangelische Mädchen und Jungen wurden dort gemeinsam unterrichtet. Die katholischen Schüler mussten mit der Fähre nach Düffelward übersetzen, um dort unterrichtet zu werden. Das war natürlich ein Nachteil gegenüber den „Evangelen“. Bei Hochwasser allerdings mussten die evangelischen Schüler auf der Schanz zum Unterricht, während die katholischen Schüler schulfrei hatten. Übrigens: Die Schule in Schenkenschanz war die am besten mit Lehr- und Lernmitteln ausgestattete Schule im Kreis Kleve, denn sie wurde von den in Salmorth beheimateten Ölwerken Spyck gesponsert. Auch die Schüler bzw. deren Eltern brauchten kein Geld auszugeben für Schulbücher oder Schreibmaterial. Auch diese Kosten wurden von den Ölwerken übernommen.

Als Melkerin Änneke die Führung beendet, braust spontaner Beifall auf. Alle Teilnehmer sind sich sicher: Diese Führung werden wir nicht so schnell vergessen. Norbert Pies bedankt sich mit den Worten: „Wann auch immer man über die Schanz geht, ist es schön. Mit dem Wissen, das Sie uns heute in unnachahmlicher Weise vermittelt haben, wird jeder Besuch künftig noch schöner.“

(Bericht: Hans Burg. Fotos: Hans Burg, Peter Thomas)

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