Der Ausbau der "Schmelenheide" – eine wichtige Straßenverbindung wird gekappt

Peter Thomas

 

Wenn Sie diesen Kartenausschnitt von Hau aus den Jahren um 1900 mit einer modernen Karte vergleichen, werden Sie feststellen, dass Sie sich sofort zurechtfinden können, denn von der Struktur her hat sich in den letzten rd. 120 Jahren nicht viel geändert.

Nach wie vor wird die Hauer Bebauung im Westen von der B 9, im Norden von der Felix-Roeloffs-Straße (damals ein Weg zum Exerzierplatz und zu den Schießständen) und im Osten von der Eisenbahnlinie Düsseldorf—Kleve begrenzt. Auf der alten Karte können Sie im mittleren Teil auch noch sehr gut den Weg erkennen, der am Dahlhof vorbei, über die Bahnlinie durch ein Wäldchen nach Bedburg führt. Dieses war der schnellste und direkteste Weg zur Provinzialstraße nach Kalkar—Xanten und zur Uedemer Straße und wurde daher von den Hauer Bürgern intensiv genutzt.

Dieser Weg wurde beim Bau der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt im Jahr 1908 beigehalten und heißt heute Buchenallee, die, ausgehend von der Peter-Eich-Straße über die Straße "Zum Gutshof" direkt in die Uedemer Straße/Rosendaler Weg (jetzt Kreisverkehr) mündet. Genau so wie damals bietet sie den schnellsten Zugang von Hau zur B 57 und Uedemer Straße.

Mit dem Bau der Klinik wurde der bis dahin öffentliche Weg in Klinikeigentum überführt, aber trotzdem erst einmal für den öffentlichen Verkehr offen gehalten.

Nachdem die Stadt Kleve im Jahre 1911 ihre erste Straßenbahnverbindung eröffnet hatte, wollte auch die Gemeinde Hau sich die Vorteile dieses neuen Verkehrsmittels sichern. Aber erst im Jahre 1914 waren die Vorarbeiten soweit gediehen, dass der Bürgermeister von Hau, Felix Roeloffs, dem Gemeinderat an Hand des Lageplanes die Linienführung der Straßenbahn, die nunmehr vom Eisernen Mann zum Weißen Tor und dort neben der Provinzialstraße über die Kaiser-Wilhelm-Allee, Kirchweg zum Bahnhof Hau fahren sollte, erklären konnte. Der Gemeinderat war mit dieser Linienführung einverstanden.

1920 war es endlich soweit. Bürgermeister Roeloffs gab bekannt, dass die ganze Strecke der elektrischen Straßenbahn Kleve-Bedburg-Hau voraussichtlich Ende September in Betrieb genommen werde, und lud den Gemeinderat zu der polizeilichen Abnahme ein. Der Gemeinderat beauftragte den Bürgermeister, einen kleinen Festakt zu veranstalten, und bewilligte zu einer einfachen Bewirtung der Gäste die erforderlichen Mittel.

Der Gemeinderat erkannte auch, dass es die Bürger zu schätzen wiüssten, wenn an der Endstation der Straßenbahn – an der Eisenbahnschranke vom Bahnhof Bedburg-Hau – ein Warteraum errichtet würde. Bei Bedarf sollte ein derartiger Unterkunftsraum auch an der Ecke Kaiser-Wilhelm-Allee/Provinzialstraße errichtet werden.

Viele sind von der Straßenbahn begeistert – einige andere deutlich weniger, denn durch die Endstation der Straßenbahn am Bahnhof und der damit verbundenen starken Entwicklung des Personen- und Frachtverkehrs mit Autos und Lastwagen wurde die Straße durch die Klinik immer stärker beansprucht. Das führte dazu, dass Bürgermeister Roeloffs in der Gemeinderatssitzung vom 6.2.1931 den Gemeinderäten folgendes vortragen musste:

Der vom Bahnhof Bedburg-Hau an dem Verwaltungsgebäude und den Arztwohnungen der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt zur Uedemerstraße führende Weg ist nicht öffentlich. Bisher hat die Provinzialverwaltung den Weg unter Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs für den öffentlichen Verkehr freigegeben. Durch den starken Anbau an der Endstation der Straßenbahn und am Bahnhof Bedburg-Hau und dem hierdurch bedingten größeren Verkehr, namentlich mit Autos und Kraftfuhrwerken ist nach Ansicht der Anstaltsleitung dieser Verkehr auf der Anstaltsstraße eine Gefahr für die Kranken geworden und wird beabsichtigt diesen nicht öffentlichen Weg für den Durchgangsverkehr zu sperren.

Erfolgt diese Sperrung, so muß seitens der Gemeinde der Verkehr umgeleitet werden und kann dieser nur über den in sehr schlechtem Zustande befindlichen öffentlichen Weg über die sogenannte Schmelenheide nach Berg & Tal geschehen. Dieser Weg ist die einzigste öffentliche Verbindung von Hau-Saal, Bahnhof Bedburg-Hau in Richtung Provinzialstraße Cleve-Uedem, Cleve-Calcar und Berg & Tal-Cleve und kann nur dieser Weg den ausgebauten Anstaltsweg ersetzen, wenn auch er ordnungsmäßig chausseemäßig ausgebaut wird.

Um endlich zu einwandfreien Verkehrsverhältnissen an der Anstalt Bedburg-Hau und am Bahnhof zu kommen ist dieser Ausbau unbedingt erforderlich. In Anerkennung der großen Bedeutung eines ausgebauten Weges über die Schmelenheide hat der Herr Landeshauptmann der Rheinprovinz sich bereit erklärt aus Wegebaufonds der Provinz die Hälfte der veranschlagten Ausbaukosten zu übernehmen.

Der Kostenvoranschlag, der von dem Landesbauamt Kleve nachgeprüft worden ist, beläuft sich auf

Zuschuss Provinz 31.000,00 Reichsmark
Wertschaffende Arbeitslosenfürsorge 6.000,00 Reichsmark
Verstärkte Förderung aus Reichs- und Staatsmitteln 18.000,00 Reichsmark
Eigene Mittel oder Darlehen der Gemeinde 13.000,00 Reichsmark
Gesamtkosten 68.000,00 Reichsmark


Demnach werden als Beihilfe gegeben 37.000 RM. Die 18.000 RM aus Reichs- und Staatsmitteln sind vom Jahre 1933 ab mit 4 % zu verzinsen und werden auf 15 Jahre als Darlehn gegeben. Die Gemeinde hat an Darlehn weiter aufzunehmen 15.000 RM (13.000 RM und 2.000 RM für Beschaffung der Gelder und sonstigen unerwarteten Mehrausgaben, die evtl. noch entstehen), die bei der Landesbank der Rheinprovinz als langfristiges Darlehn aufgenommen werden sollen.

Der Gemeinderat, der nach Ortsbesichtigung zur Beschlußfassung zusammengetreten war, schloss sich den ausführlichen Darlegungen des Vorsitzenden an und entschied nach vorliegendem Lageplan, Längsprofil und Kostenanschlag den Weg, der auch schon in der alten Karte eingezeichnet worden war, auszubauen.

Er nimmt die Provinzialbeihilfe in Höhe von 31.000 RM mit Dank an, desgleichen die Zuwendungen aus der produktiven Erwerbslosen­fürsorge und beauftragt den Vorsitzenden (Bürgermeister Roeloffs) die Mittel zu beschaffen und genehmigt die Aufnahme eines langfristigen Darlehns von 15.000 RM bei der Landesbank der Rheinprovinz unter den gegenwärtig von ihr gestellten Bedingungen.

Ende 1932 war anscheinend der Ausbau der Schmelenheide noch nicht vollendet, denn diverse Rechnungen waren noch nicht bezahlt. In den Ratsprotokollen wurde diese Baumaßnahme aber dann nicht weiter erwähnt.

Im Nachhinein gesehen war der Entschluss zum Ausbau der Straße vollkommen richtig, denn auch in den Jahren 1950 bis 1964 gab es nach Aktenlage immer wieder Probleme mit der Sperrung von Wegen innerhalb der Klinik. Aber auch wenn die Straße in der Klinik wieder komplett geöffnet würde, dürfte es doch eine Beschränkung auf den Anliegerverkehr geben, dann für ein größeres Verkehrs­aufkommen erscheint diese Straße nicht geeignet.

Durch den Bau des Johann-van-Aken-Ringes hat Hau die dringend benötigte Anbindung an die Uedemer Straße und die B 57 erhalten.

Heute, am 11. Oktober 2017, melden die Niederrhein-Nachrichten, dass eine faire Einigung zwischen Gemeinde und LVR stattgefunden habe. Danach wird der Kreisverkehr Uedemer Straße/Rosendaler Weg zur Klink hin geöffnet und durch geeignete Baumaßnahmen eine Tempo-30-Zone auf der Buchenallee angelegt.

 

Quellen:
Gemeindearchiv Bedburg-Hau: MB 5, BT 626

Literatur:
https://www.tim-online.nrw.de/tim-online/initParams.do;jsessionid=7C2E88828B92218B774D9D295B3A7409, 29.08.2017
https://de.wikipedia.org/wiki/Stra%C3%9Fenbahn_Kleve, 06.09.2017