Schulchronik Qualburg 1945–1954/55

Nachfolgend die Abschrift der Schulchronik, die Peter Thomas im Januar 2022 angefertigt hat. Die Berichtszeit beginnt mit der Wieder­aufnahme des Schulunterrichts nach dem Ende des Zweiten Welt­krieges im Herbst 1945 und endet mit der Schließung der Schule im Sommer 1968. In die Schulchronik eingeklebte Zeitungsartikel und Fotos werden hier in Auswahl gezeigt. Die Seitenzahlen der Chronik sind in eckige Klammern gesetzt.

 

[3] Schulneubau:

Als man im Herbst 1945 als Schulraum eine ältere Holzbaracke aufbaute, war man sich bewußt, daß es sich nur um einen vorübergehenden Zustand handeln konnte und später zu gegebener Zeit bessere Unterrichtsräume geschaffen werden müßten. Die Baracke war stark beschädigt, undicht, drei kleine Fenster je Raum gaben zu wenig Licht. Durch einen Sturm Anfang Winter 1946 wurde das Asphaltdach abgerissen und konnte nur notdürftig ausgebessert werden. Trotz wiederholter Reparaturen regnete es immer wieder durch, und durch die Bretterwände pfiff der Wind. Größere Ausbesserungen waren zwecklos.

Schulaufsichtsbehörde und Gemeindeverwaltung faßten daher 1947/48 den Bau eines neuen Schulgebäudes ins Auge. Frühjahr 1948 beauftragte die Gemeindeverwaltung den Architekten Ruoff, Haus Riswick, mit der Ausarbeitung eines Entwurfes. Doch rechnete man wohl kaum damit, daß bei den zerrütteten wirtschaftlichen Verhältnissen ein Schulneubau in nächster Zeit verwirklicht werden könnte. Nach der Währungsumstellung konnten Herbst 1948 die Vorarbeiten erneut in Angriff genommen werden. Im Januar 1949 genehmigte die Regierung mit einigen Abänderungen den Entwurf und stellte die erforderlichen Geldmittel in Aussicht. Mit dem Bau sollte sofort begonnen werden, sodaß das Gebäude noch im Herbst bezogen werden könnte.

In Anbetracht der noch herrschenden Knappheit an Baumaterialien und der allgemeinen Geldknappheit stellte die Bauausführung Bauherrn und Unternehmer vor schwierige Aufgaben. Den Handwerkern fehlte das Betriebskapital, und da Baustoffe bei schwankenden Preisen nur gegen Barzahlung zu beschaffen waren, übernahm die Gemeindeverwaltung die Beschaffung von Steinen, Zement, Kalk, Holz, Dachziegeln usw. Die Ausführung der Bauarbeiten wurde im Wege der Ausschreibung durchweg Handwerkern innerhalb des Amtes Till übertragen. Die Ausschachtungsarbeiten übernahm das Baugeschäft Theodor Hapo in Hasselt.

Am 4. Februar 1949 konnte der "erste Spatenstich" vorgenommen werden. Aus diesem Anlaß versammelten sich nach der hl. Messe sämtliche Schulkinder mit den Lehrpersonen und dem Pfarrer an der Baustelle, wo sich auch der Schulrat, der Bürgermeister, der Amtsdirektor und die Gemeindevertreter eingefunden hatten. Herr Schulrat Bierwirth wies auf die Bedeutung der Volksschule, die für mehr als 90 % der Kinder die einzige Schule sei, hin. In Notzeiten müßten erst recht Schulen gebaut und dafür gesorgt werden, daß

[4] die Jugend einen gediegenen Unterricht erhalte, vor allem aber zu guten Christen und vollwertigen Menschen erzogen werde. Amts-Ehrenbürgermeister Peter van de Flierdt, Schneppenbaum, legte dar, wie gerade die Ortschaft Qualburg durch die Kriegsereignisse stark mitgenommen worden wäre und die Gemeindeverwaltung und -vertretung daher keine Mühe gescheut habe Qualburg zu einer neuen Schule zu verhelfen. Allen, die zur Erreichung dieses Zieles beigetragen hätten, sprach er namens der Gemeinde Dank aus und tat dann den "ersten Spatenstich", indem er Gottes Hilfe für den Bau und die Bauleute erbat: "Wenn der Herr nicht das Haus baut, bauen die Bauleute vergebens." Pfarrer Terwelp erinnerte daran, daß die Schule auf historischem Boden errichtet würde. Schon die Römer hätten hier eine Siedlung gehabt. 1892 wurde auf dem Grundstück die erste Volksschule für Qualburg errichtet, 1913/14 eine größere Schule gebaut, die am 7. Februar 1945 unter den Bomben zusammenstürzte. Er dankte allen, die zunächst 1945 die Baracke beschafft und dadurch den Qualburger Kindern die Möglichkeit gegeben hätten, Unterricht im Orte zu erhalten, und uns jetzt in verhältnismäßig kurzer Zeit zu einer neuen Schule verholfen hätten. Herr Schulrat Bierwirth wandte sich dann besonders an die Kinder und legte dar, wie jetzt, nachdem der erste Spatenstich getan sei, die Bauleute Tag für Tag ans Werk gehen würden und mit Gottes Hilfe in friedlicher, mühevoller Arbeit das Gebäude nach und nach aufrichten würden. So müsse jedes Kind in der Schule unter Leitung der Lehrer Tag für Tag durch fleißige Arbeit den Grundstein für sein späteres Leben legen.

Bei den Ausschachtungsarbeiten stieß man man auf Anschüttungen aus früheren Zeiten, man fand Knochenreste und ältere Ziegel. Herr Dr. Gorissen, Kleve, besichtigte daraufhin die Baustelle, besonders wertvolle historische Funde wurden jedoch nicht gemacht.

Die Beton- und Maurerarbeiten übernahm die Baufirma Johann Neu, Hasselt. Die Arbeiten verliefen planmäßig, sodaß Schreinermeister Josef Berns, Qualburg, im Juli den Dachstuhl aufsetzen konnte. Anläßlich des Richtfestes am 18. Juli 1949 wurden die Bauleute, die den Rohbau fertiggestellt hatten, in der Wirtschaft Adam van de Flierdt, Qualburg, mit belegten Brötchen und Getränken bewirtet.

Im Sommer und Herbst sollte der Ausbau so gefördert werden, daß die Schule vor dem Winter bezogen werden konnte. Der Lehrer hatte sich für den [5] Bau einer separaten Dienstwohnung neben der Schule ausgesprochen; der Gemeinderat beschloß den Raum über den Klassenzimmern auszunutzen und im Dachgeschoß der Schule 2 Wohnungen auszubauen. Anfang November waren die Bauarbeiten beendet und die Klassenräume mit dem notwendigsten Mobilar versehen, sodaß am 9. November 1949 die feierliche Einweihung erfolgen konnte. Am Sonntag, den 6. November 1949, wies Herr Pfarrer Terwelp in seiner Predigt auf die Bedeutung der Volksschule als die wichtigste Einrichtung neben der Kirche hin. Er ermahnte die Eltern, die Schularbeit an ihren Kindern nicht den Lehrern allein zu überlassen, vielmehr die Arbeit der Lehrer und Geistlichen zu unterstützen und im Interesse ihrer Kinder zu fördern. Über die Feier anläßlich der Einweihung der Schule am 9. November berichtete die Zeitung wie folgt:

[6 Zeitungsbericht in der Rheinischen Post vom 9.11.1949 über die Einweihung der Schule]

[7 Zeitungsbericht in der Rheinischen Post vom Nov. 1949 über den Schulbau: "Das schönste Schulheim des Kreises"]

[8 leer]

[9] Mit Unterrichtsbeginn nach den Weihnachtsferien, am 10. Januar 1950, übernahm Herr Lehrer Karl Hubert Doll, der vorher etwa 1 Jahr an der Schule in Hasselt tätig war, die Verwaltung einer Lehrerstelle an der hiesigen Schule. Herr Doll, geboren am 29. April 1915 studierte nach Ablegung des Abiturs in München und Münster und macht das Philosophikum und Dogmatikum. Nach Entlassung aus dem Kriegsdienste besuchte er die Päd. Akademie in Oberhausen und legte daselbst 1947 die I. Lehrerprüfung ab.

[10] Am 24. März 1950 wurden aus der hiesigen Schule 17 Kinder, und zwar 11 Mädchen und 6 Knaben, entlassen. Zur Feier des Tages machten die Kinder mit ihrem Lehrer eine Autobusfahrt am Niederrhein entlang nach Köln und über Düsseldorf zurück. Infolge der Kriegs und Nachkriegsverhältnisse sind die Kinder nicht über ihre engste Heimat hinausgekommen. Die Fahrt, die Besichtigung des Kölner Doms, der Zoo und der Besuch der Kölner Puppenspiele war für die Kinder ein Erlebnis, an das sie noch lange mit Freuden zurück denken werden. – Die kirchliche Entlassungsfeier fand am Sonntag, dem 26. März in der Pfarrkirche statt. Sämtliche Schulkinder mit ihren Lehrpersonen, vielen Eltern und Angehörigen der Pfarr­gemeinde hatten sich zu der Feier in der festlich geschmückten Kirche eingefunden. Erstmalig sangen die Schulkinder und der Kirchenchor bei der Sonntagsmesse die "Speyerer Domfest-Messe." In seiner Festpredigt wies ein Pater des Hauses Freudenberg auf die Bedeutung des Tages für die Kinder, deren Eltern und die Gemeinde hin und richtete ernste und aufmunternde Worte an die zur Entlassung kommenden Kinder. Den Eltern legte er ans Herz, in den nun folgenden entscheidungsvollen Jahren diesen ihren Kindern, wahre Schutzengel zu sein. Vor ihrem Pfarrer und der Gemeinde erneuerten die ins Leben gehenden Kinder dann feierlichst das Taufgelübde und holten sich Kraft und Stärke am Tische des Herrn. Mit dem Liede "Großer Gott, wir loben Dich" schloß die Feier.

 

1950/51

Am 28. März 1950 legte Herr Lehrer Doll an der hiesigen Schule die II. Lehrerprüfung mit gutem Erfolge ab. Unter dem Vorsitze des Herrn Schulrats Bierwirth gehörten der Prüfungs-Kommission an: Der Leiter der "Arbeitsgemeinschaft der Junglehrer" Herr Lehrer Gramm, Kleve, Herr Hauptlehrer Schreurs, Hau, sowie die Dozentin der Pädag. Akademie Oberhausen Fräulein Kolbe.

[11] Bei der Landtagswahl am 18. Juni 1950 wurden im Wahlbezirk Qualburg für

    Christlich-Demokratische-Union
    Sozialdemokratische Partei
    Zentrum
    Deutsche Reichspartei
    Freie-Demokratische Partei

336 Stimmen
50 Stimmen
20 Stimmen
3 Stimmen
7 Stimmen

abgegeben.

Ungültig waren 12 Stimmen.

Wahlbeteiligung = 74 von Hundert

Im Juli 1960 konnte der durch Kriegseinwirkungen stark beschädigte Kirchturm in Stand gesetzt werden. Die Schieferbedachung, 210 qm, mußte erneuert werden. Die Kosten beliefen sich auf DM 6.000. Die 4 Seitentürmchen am Fuße des Turmdaches mußten fortfallen.

Am Sonntag, den 10. September 1950 wurde in Hasselt auf dem Gelände neben der Wirtschaft Verhoolen ein von der "Sportgemein­schaft Hasselt" angelegter Sportplatz seiner Bestimmung übergeben. Der Platz steht den Schulen der Gemeinde für Turn- und Sportzwecke zur Verfügung. [12]

[13] Mit Wirkung zum 1.4.51 wurde Lehrer Wilhelm Berntsen aus Pfalzdorf-Landwehr an Stelle des nach Pfalzdorf versetzten I. Lehrers Heinrich Wolters als kommissarischer Schulleiter an die hiesige Volksschule bestellt. Nach fast 7jähriger Tätigkeit im Fremdberuf war er 1 Jahr als Hilfslehrer in Hülm und 3 Jahre in gleicher Eigenschaft in Hau-Dorf tätig. Am 1.10.1933 erhielt er einen Lehrauftrag an die einklassige Volksschule in Pfalzdorf-Landwehr, wo er bis zu seiner Versetzung nach Qualburg, also 17 ½ Jahre, den Dienst versah.

Am 21.4.1951 trat Herr Schulrat Bierwirth infolge Erreichung der Altersgrenze in den Ruhestand. Die Lehrerschaft des Kreises Kleve hatte dem scheidenden Schulrat im Hotel Bollinger eine würdige Abschiedsfeier bereitet, die durch einen Dankgottesdienst im Spycker-Kloster eingeleitet wurde. Die Regierung war durch Frau Regierungsrat Dr. Olbricht vertreten. Ferner nahmen die Behörden­leiter des Kreises sowie Geistliche beider Konfessionen an der Abschiedsfeier teil. Von allen Seiten wurden dem Schulrat Bierwirth Dank und Anerkennung für die große Aufbauarbeit des Schulwesens in unserem Kreis gezollt. Tief gerührt dankte der Schulrat Bierwirth für die ihm erwiesene Ehrung und versicherte, den Kreis Kleve mit seiner Lehrerschaft und Schuljugend nie vergessen zu können.

Als Nachfolger für Herrn Schulrat Bierwirth wurde Herr Dr. Lambert Schmitz aus Aachen ernannt, der die Schulleiter am 7.5.51 zu einer Konferenz in die Spyckschule eingeladen hat. Der neue Schulrat ist gebürtig aus Aachen, studierte an den Universitäten Aachen, Köln und Giesen und promovierte zum Dr. der Philologie. Als Volks­schullehrer war er etliche Jahre an einer einklassigen Schule eines Eifeldorfes und später als Rektor in Aachen-Stolberg tätig. An beiden [14] Weltkriegen nahm er als Offizier teil und kehrte erst 1949 aus russischer Kriegsgefangenschaft heim.

Zunächst dankte Herr Schulrat Dr. Schmitz seinem Vorgänger für den äußeren Aufbau des Schulwesens im Kreis Kleve. Seine Aufgabe sei es nun, das Schulwesen von Innen her neu zu gestalten, wozu er einige Richtlinien entwarf (s. Bericht im Konferenzbuch). Zum Schluß der Konferenz hieß der Senior der Schulleiter, Herr Rektor Bitter, den neuen "Baas" herzlich willkommen und wünschte ihm Gottes Segen zum neuen Beginnen.

Anfang Mai dieses Jahres stattete ums der Hochwürdige Herr Bischof Michael in Begleitung von Herrn Dechanten Drath aus Kalkar einen kurzen Besuch ab. Der Hochwürdige Herr hielt mit den Kindern in der Kirche eine Katechese "Vom Göttlichen Kinderfreund". Dabei kam er auch auf die Heiligsprechung Maria Gorettis zu sprechen und ermahnte die Kinder, die Tugend der Herzensreinheit zu üben. Den Mädchen legte er nahe, sich schon jetzt im Hauswesen umzusehen, damit sie später einmal tüchtige Hausfrauen würden. Anschließend besichtigte der Hochwürdige Herr die Schule und sprach sich lobend über den Schulbau aus.

Am 25. Juni wurden die nunmehr wieder pflichtgewordenen Sportwettkämpfe der Schuljugend des Amtes Till auf dem Sportplatz in Bedburg ausgetragen. Um 8 ½ Uhr trat die Schuljugend auf dem Sportplatz an. An Zuschauern hatten sich neben einigen Eltern der Herr Amtsdirektor, Amtsbürgermeister und etliche Gemeindevertreter eingefunden. Bei sonnigem Wetter spielten sich die gut vorbereiteten Wettkämpfe schnell ab. Die Schule Hau-Außen konnte vor Louisendorf die meisten Punkte buchen [15] und erwarb damit den Wimpel.

In diesem Jahr war der 12. September als Tag der Wahl und Vereidigung des Herrn Bundespräsidenten Heuß zum Gedenktag in den Schulen bestimmt worden. Es wurde eine Schulfeier abgehalten, in der wir der Person des Bundespräsidenten sowie des hohen Gutes der Freiheit in der Demokratie und der Verantwortung in der Bundesrepublik gedachten. Der Unterricht fiel aus.

Herr Schulrat Dr. Schmitz revidierte am 25.7.51 die Schule. Er weilte je eine Stunde in der Oberklasse und Mittelklasse. In der Mittelklasse galt die Revision dem Schulamtsbewerber Herrn Doll, der um die Anstellung als Lehrer eingereicht hatte. Herr Doll wurde rückwirkend zum 1.7.51 als Lehrer angestellt.

Mit Beginn des Monats Dezember konnte die neue Abortanlage in Benutzung genommen werden. Sie paßt sich gut dem Schulbau an, ist mit Wasserspülung, Heizung und Waschgelegenheit versehen, so daß sie durchaus den hygienischen Anforderungen einer Abortanlage entspricht. Die Lehrenden werden die Schüler anleiten, die Aborts stets sauber zu halten. Ein sauberer Abort wird immer einen guten Eindruck für die Schule hinterlassen.

Am 26.1.52 besuchten Frau Regierungsrätin Dr. Olbricht und Herr Schulrat Dr. Schmitz unsere Schule. Der Besuch weilte zuerst eine Stunde in der Oberklasse und dann ½ Stunde in der Mittelklasse. Anschließend zeigte Frau Dr. Olbricht den Kindern Photos von ihrer 3monatigen Studienreise aus Nordamerika. Die Kinder verfolgten mit Begeisterung die Bilder und lauschten den Worten von Frau Dr. Olbricht. [16] Rückwirkend zum 1.12.51 wurde der erste Lehrer Wilhelm Berntsen am 10.3.1952 zum Hauptlehrer ernannt.

Die diesjährige Entlassungsfeier fand am 26.3. abends 7 ½ Uhr in der Klasse statt, wozu sich die Eltern der zur Schulentlassung kommenden Kinder, sowie der Pfarrer und die Schulpflegschaft eingefunden hatten. Im Mittelpunkt der Feier stand die Kurzgeschichte "Der Schwarze König" von Ruth Schaumann, die auf die Schüler und Eltern einen tiefen Eindruck hinterließ. Zur Entlassung kamen 7 Jungen und 8 Mädchen. Da nur 6 Neuanmeldungen vorliegen, wird die Schülerzahl mit Beginn des neuen Schuljahres 129 betragen.

Um das Vertrauen zwischen Schule und Elternhaus zu festigen, führte jeder Klassenlehrer im Laufe des Schuljahres eine Besprechung mit der Klassenelternschaft durch, woran sich die Eltern rege beteiligten. Die Oberklasse gestaltete im Januar einen gut besuchten Balladenabend, während Herr Doll im März mit der Mittelklasse eine wohlgelungene Klassenfeier durchführte, die unter dem Leitgedanken stand: Achte eines jeden Vaterland, doch das Deine liebe!

Recht merkwürdig war die Witterung in diesem Frühjahr. Der Winter 1951/5 war auffallend mild und ließ die Schneeglöckchen und Veilchen im Februar schon blühen und brachte die Knospen der geschützt stehenden Pflanzen schon früh zum Schwellen. In der 2. Hälfte des März setzte dann ein verspäteter Winter ein, so daß das Thermometer auf –6 bis 7° sank. Anfang April schlug das Wetter um und nahm sommerlichen Charakter [17] an. An den Ostertagen (14.+ 15.4.) stieg das Thermometer auf 22-23° im Schatten an, und es öffneten sich die Blüten der Blumen, Kräuter und Obstbäume zu einer wahren Pracht.

 

1952/53

Am 23.6.52 weilte der hochwürdige Herr Weihbischof Rolef in unserer Pfarrgemeinde. Anläßlich des hohen Besuches hatten die Pfarrkinder die Kirchstraße mit Maien und Fähnchen festlich geschmückt. Am Schulhof war ein Ehrenbogen errichtet, wo der hochwürdige Herr empfangen wurde. Begleitet von einem stattlichen Reiter- und Radfahrerzug traf der hohe Besuch hier um 8.30 ein und wurde von Kirchenvorstandmitglied Herrn Otten, Hasselt, begrüßt. Dann trug ein Kind ein Begrüßungsgedicht vor. Der hochwürdige Herr dankte für den freundlichen Empfang und wurde nun von der Pfarrgemeinde feierlich in die Kirche geleitet. Nachdem hier die Firmmesse gefeiert war, spendete der hochwürdige Herr Weihbischof 78 Firmlingen das Sakrament der heiligen Firmung. Nach einer Ansprache an die Firmlinge und Pfarrangehörigen wurde der hochwürdige Herr Weihbischof wieder von der Pfarrgemeinde in das Pastorat begleitet. Am Nachmittag gegen 4 Uhr wurde der hohe Besuch feierlich von Reitern und Radfahrern nach Hasselt geführt, um auch dort das Sakrament der heiligen Firmung zu spenden.

Die Herbstferien, die vom 31.7.–29.8. festgelegt waren, wurden mit Rücksicht auf das starke Auftreten der Kinderlähmung bis 16.9. verlängert. In unserem Kreis ist die spinale Kinderlähmung kaum in Erscheinung getreten. Große Ferienfahrten mit Über­nachtungen in den Jugendherbergen wurden untersagt. Das Kreisjugendamt Kleve setzte nun für die Schulkinder von 10-14 Jahren Wanderungen [18] innerhalb des Kreisgebietes an, die von Studenten der Pädagogischen Akademien und Schülern der höheren Schulen geleitet wurden. Die Qualburger Schuljugend beteiligte sich eifrig an den Wanderungen. Auf jeder Wanderung gab es zum Mittag an einem vorher bestimmten Ort (Jugendherberge Kleve, Wolfsberg, Krankenhaus Grieth und Kalkar oder Gaesdonck) ein leichtes Mittagessen. Die Wanderlustigen erkannten die Mühen des Kreisjugendamtes dankbar an.

Dem auffallend warmen Frühling folgte ein kühler, trockener Sommer. Nur die letzte Juniwoche brachte Sommerwetter mit Temperaturen über 30° im Schatten. Die gesamten Früchte in Feld und Garten entwickelten sich gut, obgleich der Boden sehr trocken war. Nur die Weiden boten zu keiner Zeit des Jahres Überfluß an Gras. Auch der Roggen ergab nur ein mäßiges Druschergebnis. Die Kartoffeln lieferten in unserm Gebiete eine Rekordernte, so daß 130–140 Pfund pro Rute keine Seltenheit waren. Auch das Obst, besonders das Steinobst und die Birnen ist gut geraten. Als ganzes gesehen ist das Jahr 1952 hier am Niederrhein als ein fruchtbares Erntejahr anzusehen.

Vom Gesellschaftsverein und der Schulpflegschaft gut vorbereitet zog wie in früheren Jahren der Martinszug durch unser Dorf. Nach Beendigung des Zuges wurde den Kindern eine Tüte mit Obst und Süßigkeiten übergeben.

Anfang Februar brauste ein gewaltiger Sturm über die Nordsee, der neben England und Belgien besonders in Holland großen Schaden anrichtete. Der Sturm riß an der Westküste Holland die Hauptdeiche ein, so daß 1/6 der Gesamtfläche Hollands überflutet wurde. Über 1.000 Menschen [19] fanden den nassen Tod. Der große Sachschaden ist noch nicht zu übersehen. Aus allen Ländern Westeuropas und Amerikas wurde dem schwer getroffenem Lande Hilfe zu teil. In fast allen Schulen wurden Geldsammlungen abgehalten, um der von der Unwetterkatastrophe heimgesuchten Bevölkerung zu helfen. In unserer Schule ergab die Sammlung den an sich bescheidenen Betrag von DM 38,40. Möge an diesem Zusammenstehen in der Not der westeuropäischen Länder und Menschen der Gedanke am "Vereinigten Europa" wachsen.

Am 27.3.53 fand die Schulentlassungsfeier statt, die unter dem Leitgedanken stand: "Ehre der Arbeit". Zur Entlassung kamen 11 Jungen und 11 Mädchen. Da noch 3 Kinder zur höheren Schule gehen und nur 12 Neuanmeldungen vorliegen, wird die Schülerzahl nach Ostern noch 118 betragen.

 

1953/54

Herr Lehrer Doll wurde zum 1.4.1953 an eine Schule in Wuppertal versetzt. Er hatte im vorigen Sommer mit der Singeschar eine Fahrt nach Belgien unternommen und die Kinder für sich zum Kaffeeschmuggel eingesetzt. Der Zoll bekam davon Kenntnis und beantragte bei der Schulaufsichtsbehörde die Versetzung des Herrn Doll aus dem Zollgrenzbezirk.

An Stelle des Herrn Doll tritt der Flüchtlingslehrer Herr August Martens aus Grieth. Er ist geboren am 17.7.1890 in Nikolai, Kreis Pleß in Oberschlesien und war 33 Jahre in Neudeich, Kreis Cosel als Erzieher tätig und leitete seit 1936 als Hauptlehrer die vierklassige Schule daselbst. Im Frühjahr 1945 wurde Herr Martens aus seiner Heimat vertrieben und konnte erst nach 5 Jahren der Not und [20] Entbehrungen am 19.10.1950 wieder in Grieth als Lehrer eingestellt werden. Seine Versetzung nach Qualburg zum 1.4.1953 erfolgte wegen Stellenabbau in Grieth.

Mit Beginn des neuen Schuljahres wurden die Klassenelternschaften ergänzt und setzen sich wie folgt zusammen:

Klasse I

Heinrich Bongers
Wwe. Anna Fischer

Klasse II

Josef van Wickern
Frau H. Theunissen

Klasse III

Anton Dicks
Johann Fischer

Die Schulpflegschaft: Anton Dicks, Heinrich Bongers, Frl. M. Lohmann

In den Pfingstferien unternahmen die Oberklasse und einige Eltern eine zweitägige Omnibusfahrt nach Maria Laach. Wir wohnten im Kölner Dom dem heiligen Meßopfer bei, besuchten Schloß Brühl bei Bonn und das Bundeshaus, stiegen auf den Drachenfels und fuhren dann durch das herrliche Brohltal nach Maria Laach, wo wir in der Jugendherberge zu Niedermendig übernachteten. Der folgende Vormittag galt dem Besuch der Abteil Maria Laach und Umgebung. Am Nachmittag fuhren wir durch das Ahrtal in die Heimat zurück. Die Kinder und noch mehr die Eltern waren von der Tour tief beeindruckt.

[21] Bild links: Schloßpark Brühl – Bild rechts: Abtei Maria Laach

[22] Die diesjährigen Bundeswettkämpfe des Amtes Till wurden am 23.7.53 auf dem Sportplatz in Hasselt ausgetragen. Den Wimpel des Amtes errang die Schule von Louisendorf. Die Qualburger Schule konnte die Staffel der Mädchen gewinnen und bestritt nach der Gesamtpunktzahl den 5. Platz unter den 9 Schulen des Amtes Till.

Auch in diesem Jahre ritt St. Martin umgeben von der singenden Kinderschar durch unser Dorf. Leider war das Wetter so schlecht, daß der Martinszug nur den kleinen Weg ziehen konnte: Schule - van de Flierdt - Kanders - Schule. In den früheren Jahren wurde das Gewand für St. Martin beim Theater am Niederrhein entliehen. Das kostete einmal eine Leihgebühr von DM 10,-- und zum andern war man zeitmäßig an das Freisein des Kostüms gebunden. Der St. Martinsausschuß beschloß daher, für St. Martin ein eigenes Ritterkostüm zu beschaffen. Die Frauen der Klassenelternschaften arbeiteten ein schmuckes Gewand, so daß St. Martin im eigenen Ritterkostüm reiten konnte.

Auch Frl. Maria Lohmann konnte am 1.2.54 ihr 25jähriges Amtsjubiläum begehen. Aus diesem Anlaß hatte Herr Martens eine schlichte, aber sinnvolle Schulfeier vorbereitet, woran die Schulgemeinde regen Anteil nahm. Die Oberklasse war nett geschmückt, Lieder und Gedichte [23] umrahmten die Feier. In beredten Worten wußte Herr Martens die Arbeit des Lehrers allgemein und die der beiden Jubilare ins besondere darzutun. Die Schule und die Schulpfleg­schaft überreichten je ein passendes Geschenk. Hernach verbrachte die Schulpflegschaft mit dem Lehrerkollegium noch eine gemütliche Plauderstunde.

Der Winter ließ dieses Jahr lange auf sich warten. Al er aber nach Weihnachten einsetzte führe er ein strenges Regiment. Temperaturen von 17–18° unter Null waren keine Seltenheit. Kein Wunder, daß bei dieser Kälte der Rhein bald Eis führte und Anfang Februar mit einer Eisdecke überzogen wurde. Viele Klevianer wie auch unsere Oberklasse [24] machten einen Gang oder eine Fahrt an das Rheinufer, um den erstarren Vater Rhein zu sehen. Für den Verkehr wurde er allerdings nicht freigegeben. Dennoch pendelten viele Wagemutige über den Rhein und zurück. Als Mitte Februar milderes Wetter einsetzte, löste sich das Eis und trieb langsam ab, ohne eine Gefahr für die Dämme zu bilden. Der ganze Monat März blieb kalt und brachte nur einige warme Vorfrühlingstage.

Mit dem Abklingen der Winterkälte traten in den unteren Jahr­gängen die Masern auf, die aber keine schwerwiegenden Krankheiten hinterließen.

Am 25.3.54 fand die diesjährige Schulentlassungsfeier statt, zu der die Eltern der Schulentlassenen fast vollzählig erschienen waren. Es kamen 13 Mädchen und 12 Knaben zur Entlassung, während 2 Knaben noch ein freiwilliges neuntes Schuljahr mit­machen wollen. Da nur 7 Schulneulinge für die Schulstammrolle gemeldet wurden, beträgt die Schülerzahl nur noch 93. Hierzu sollen noch 7 Kinder kommen, die an der Uedemer Straße wohnen, zu Qualburg gehören, aber z. Zt. die Markusschule in Bedburg besuchen.

 

1954/55

Wie war das Wetter 1954/55? Nach dem Abklingen des Winters stieg das Thermometer im März plötzlich an und erreichte in der 2. Märzhälfte 23–24°, also sommerliche Werte. Das Frühlingsgemüse entwickelte sich schnell, während auf den Getreidefeldern, besonders an Gerste und Klee, sich große Frostschäden zeigten. Die Feldbestellung wurde erschwert durch eine trockene Witterung, die im April und Mai vorherrschte. Der Viehauftrieb konnte erst Mitte Mai in kahle Weiden erfolgen. Ende Mai setzte dann endlich Regen ein, der dann den ganzen Sommer, [25] Herbst und Winter unser Wetter bestimmte. Von sommerlicher Wärme war nichts zu spüren, zeigte doch das Thermometer nur 18–20° an. Erst in der 3. Juliwoche setzte eine kurze Hitzewelle ein, um nach 6 Tagen einer kühlen Witterung Platz zu machen. Trotz des kalten nassen Sommers war eine normale Getreide- und Hackfruchternte zu verzeichnen, lediglich deren Einbringung verursachte große Schwierigkeit. Auch die Feldbestellung war durch die Nässe nicht leicht vorzunehmen. Der Winter setzte Anfang Januar ein und führte bis Anfang März ein strenges Regiment. Da die Felder meist mit einer Schneedecke überzogen waren, ist ein Auswintern des Getreides wie im vorigen Jahr wohl nicht zu befürchten.

St. Martin verteilte auch in diesem Jahr wieder eine gefüllte Tüte an die frohe Kinderschar. Als St. Martin auf dem Schulhof eine Ansprache an die Kinder richtete, wurden einige Feuerwerkskörper abgebrannt, wodurch der Schulhof in ein buntes Lichtermeer verwandelt wurde. Dieses Jahr hatten einige Frauen 2 Herolde ausgerichtet, die St. Martin ein sicheres Geleit gaben.

Am 21.3.1955 fand die diesjährige Schulentlassungsfeier statt. Zur Entlassung kamen 8 Knaben und 7 Mädchen, während 2 Knaben des freiwilligen 9. Schuljahres schon vorher entlassen waren. Im Mittelpunkt der Entlassungsfeier stand ein Brief Guardinis: "Vom Geben und Nehmen, vom Heim und der Gastfreundschaft", der das zuletzt behandelte Thema: "Menschen leben miteinander" vertiefen und ausklingen lassen sollte. Mit den 17 Schulentlassenen werden noch 4 Knaben zur höheren Schule abgehen, macht insgesamt 21 Abgänge. Dem stehen nur 11 Neuanmeldungen gegenüber, so daß die Schülerzahl im neuen Schuljahr nur noch 80 betragen wird. [26] Die Schülerzahl in Qualburg ist in 4 Jahren von 135 auf 80 zurückgegangen, so daß die 3. Lehrerstelle nicht mehr gehalten werden kann. Hauptlehrer Berntsen wird daher in gleicher Eigenschaft nach St. Markus in Bedburg versetzt. Herr Lehrer Martens tritt in den Ruhestand. Die Schule hat ihm eine schlichte Abschiedsfeier bereitet, auf der Herr Schulrat Dr. Schmitz die geleistete Arbeit des pflichttreuen Lehrers eindrucksvoll darlegte. Zum neuen Schuljahr wird Herr Lehrer Peter van Wickeren aus Hassum die Leitung der nun zweiklassigen Schule in Qualburg übernehmen.

Fortsetzung: 1955/56–1968